This story can be read in both German and English (the texts are presented in parallel, English in turquoise). All photos in this story were taken by the author.
Stephanie from Hanover shares stories from her home office: "Sleep. Get up. Coffee machine. Office desk. Work. Break. Work. Fries. Work. Beer. Bed." Read two stories written from quarantine.
Story 1
Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich sitze auf meiner Bank. 6 Quadratmeter Freiheit. Über mir der blaueste Himmel, den 2020 bisher gesehen hat. Zwischen den Bambusstreben ein Blick auf die leergefegte Straße. Ich stelle mir vor, dass wir Arm im Arm über den menschengefüllten Asphalt laufen. Jemand lacht lauthals. Stimmen. Hier und da ein Grölen. Ein anderer greift nach einer Hand. Wem soll man seine reichen, wenn sie niemand anfassen darf?
Ich schließe die Augen. Bass. Bass. Bass.
Bilder von uns in alkoholgetränkten lauen Nächten. Einer gießt Shots ein. Gemeinsam hat einen Geruch. Schultern, die sich berühren, weil es auf diesem einen Balkon ziemlich eng für uns alle gewesen ist. Und gerade wünschte ich mir, ich wäre eine dieser Rauchschwaden. Dass ich mich um euch legen könnte. Dass die Lücken zwischen euren Gesichtern eng sind. Ich will in euren Tanzbereich. In deinen. Und nur ein bisschen eingeatmet werden.
Bass. Bass. Bass. Ich öffne die Augen.
Selten habe ich mich so sehr nach etwas gesehnt. 5 Video-Calls und 4 Gläser Wein später habe ich mich noch nie so sehr nach etwas gesehnt. Wie viele Abende orange-rot-lila-blau am Himmel noch bis sich unsere Schultern wieder berühren? Ob wir uns "danach" demaskieren? Und wir uns dann langsam rantasten. Wieder mehr berühren, statt anzufassen. Ob sich die Distanz zwischen uns Zentimeter für Zentimeter verringert? Sie nicht erschrickt, weil er ein paar Meter entfernt anfängt, zu husten? Wie viele Tage noch? Und wie viele Nächte? Wann hört das auf? Und was fängt dann an?
English translation
The sun shines on my face. I am sitting on my garden bench. 6 square meters of freedom. Above me, the bluest sky 2020 has seen so far. Between the bamboo struts a view of the empty street. I imagine that we walk arm in arm over the asphalt filled with people. Someone laughs out loud. Voices. A roar here and there. Another reaches for a hand. Who should you give your hand to if nobody is allowed to touch them?
I close my eyes. Bass. Bass. Bass.
Images of us on mild, alcoholic nights. Someone pours shots. Being together has a smell. Shoulders touching because it was pretty tight for all of us on this one balcony. And just now I wished I was one of those wisps of smoke. That I could put myself around you. That the gaps between your faces are narrow. I want to go to your dance territory. Into yours. And just be inhaled a bit.
Bass. Bass. Bass. I open my eyes.
I have seldom longed for anything so much. 5 video calls and 4 glasses of wine later, I have never longed for anything so much.
How many evenings orange-red-purple-blue in the sky until our shoulders can touch again? Do we unmask ourselves "afterwards"? And then we slowly grope our way. Touch again instead of connecting. Does the distance between us decrease centimeter by centimeter? Aren't you startled because he starts coughing a few meters away? How many days? And how many nights? When does that stop? What does then start?
Story 2
"Wenn ich nicht nachgesehen hätte, wüsste ich nicht, dass wir heute den 22. April schreiben. Zeit hat inzwischen eine andere Bedeutung. Wenn ich mir früher am Dienstag gedacht habe: "Na ist denn endlich bald Freitag?" oder an Freitagen um 16:00 Uhr: "Ist schon Zeit für Vino?" oder an einem Samstagmorgen: "Wann hört die Speierei endlich auf?"
Gibt es aktuell nur eine einzige Frage: Wann ist das alles vorbei?
Okay. Und eine zweite: Was fängt dann an?
Die Tage waren nie kürzer und länger zugleich. Ich esse Kaugummi, das ich genauso lang ziehen kann wie diesen zähen Mittwoch. Ich bin inzwischen seit 4 Wochen im homeoffice. Wie das so ist, fragen Sie?
Verdammte scheisse is dat!
Kennen Sie diese Leute, die morgens frisch geduscht und frisiert, gezähneputzt und parfümiert lächelnd an ihrem Schreibtisch sitzen und hochmotiviert auf ihrem Mac rumtippen? Nein?
DIE GIBT ES NÄMLICH NICHT!
In meinem homeoffice gibt es keinen Dresscode. Keine Zuschauer. Keine Kollegen, mit denen man sich zum Lunch trifft oder auf ein Pläuschchen auf dem Flur. Kein Feierabendbier. Jetzt wird das Bier schon vor Feierabend gekippt. Ungeduscht. In den Klamotten, in denen ich schon geschlafen habe.
Schlafen. Aufstehen. Kaffeemaschine. Schreibtisch. Arbeiten. Pause. Arbeiten. Pommes. Arbeiten. Bier. Bett.
Mein Schrittzähler kommt an guten Tagen auf 500. An sehr guten Tagen auf 501. Statt 10.000. Meine Mittagspause verbringe ich auf meinem Südseite-Balkon. Eingeölt und mit Pommes auf dem Schoß. Bin ganz froh, dass mich gerade niemand sieht. Die wollen dann immer auch Pommes. Ich könnte zugenommen haben. Aber so genau muss man sich das jetzt auch nicht ansehen. Praktisch ist ja, dass die Leggins einfach nie zwicken.
Nach dem Lunchbreak und dem erfolgreichen Mindmapping (Pommes in Kringelform. Spiralpommes. Kartoffelecken. Riffelpommes. Süßkartoffelpommes. Gefrierfach. Pommes-Bringdienste in deiner Nähe. Mayonnaise. Trüffelmayonnaise) wechsle ich dann wieder an meinen Arbeitstisch. Und arbeite. Mein Hass gegen Warteschleifen hat ein schlimmes Ausmaß angenommen.
Ich will doch einfach nur mit jemandem reden. Ich tippe während der nächsten 45 Minuten wahllos 96 Nummern ein, um irgendjemanden zu erreichen. Eine Stimme. Ein "Hallo". Ein einfaches "Hi". Aber alle sind not available. Ich rufe meine eigene Mailbox an. Und hinterlasse mir ein paar Nachrichten. Date-Anfragen. Ob die Reservierung in dem kleinen Lokal am Freitagabend um 20 Uhr passt. Gutes Gefühl. Morgen höre ich die Messages ab. Ist schon wieder Zeit für den wohlverdienten Feierabend.
Eine kleine Sporteinheit wäre ganz gut, denke ich. Und mache einen Schneeengel auf meinem Teppich. Bin danach ganz erschöpft. Müsste eigentlich noch aufräumen. Die 6 Kaffeetassen, die ich heute verbraucht habe, in die Geschirrspülmaschine stellen. Aber ich bin a) viel zu erschöpft und b) kommt heute eh niemand vorbei. Ich will meine Fitnessapp heute nicht ausreizen und nehme den kürzesten Weg ins Bett. Morgen ist auch noch ein Tag.
English translation
"If I hadn't checked, I wouldn't have known that we it is April 22nd today. Meanwhile, the understanding of time has changed. As I thought on a Tuesday before:" Is it finally Friday soon? "Or on Fridays at 4pm: "Is it time for Vino?" Or on a Saturday morning: "When does this mess end?"
There is currently only one question: when will this all be over?
Okay. A second then: What does then start?
The days were never this short and never this long at the same time. I am chewing chewing gum that I can pull just as long as this tough Wednesday. I've been doing home office for 4 weeks now. How that has been, you ask?
It has been terrible!
Do you know people who are freshly showered and styled in the morning, with brushed teeth and perfumed, smiling at their desks and typing on their Macs highly motivated?
NO? BECAUSE THERE ARE NO SUCH PEOPLE!
There is no dress code in my home office. No spectators. No colleagues, to go for lunch with or have a chat with in the hallway. No after-work beer. Now the beer is drunk before the end of the day. Unshowered. In the clothes in which I have been sleeping.
Sleep. Get up. Coffee machine. Office desk. Work. Break. Work. Fries. Work. Beer. Bed.
My pedometer reaches 500 on good days. 501 on very good days. Instead of 10,000. I spend my lunch break on my south-facing balcony. Oiled up and with fries on the lap. I'm very glad that nobody is seeing me right now. They always want french fries. I could have gained weight. But you don't have to look at it that closely. It is practical that the leggings simply never pinch.
After the lunch break and the successful mind mapping (fries in the shape of squiggles, spiral fries, potato wedges, riffle fries, sweet potato fries, freezer, fries delivery service near you. Mayonnaise. Truffle mayonnaise) I returned to my desk. And work. My hatred of waiting for queues has reached an all time low.
I just want to talk to someone. I randomly type in 96 numbers over the next 45 minutes to reach anyone. One voice. A hello. A simple "hi". But no one answers. I call my own mailbox. And leave some messages. Date requests. Whether I can make a reservation for a small restaurant on Friday evening at 8 p.m. Good feeling. I'll be listening to the messages tomorrow. It's time for a well-deserved end of the day.
A small sports unit would be fine, I think. I make a snow angel on my carpet. After that I'm completely exhausted. I should still clean up. Put the 6 coffee cups I used today in the dishwasher. But I'm a) far too exhausted and b) nobody will visit today anyway. I don't want to exhaust my fitness app today and take the shortest route to bed. Tomorrow is a day too.
Noch ein paar Worte zu mir:
Ich bin 34 Jahre alt. Zu nicht-Corona-Zeiten bin ich in einer Kanzlei tätig und arbeite nebenbei zum Spaß an der Bar. Mein Leben hat sich - wie das so vieler - vor einigen Wochen schlagartig geändert. Ich arbeite isoliert, statt im Team. Wir sind zwar virtuell anwesend und es ist ein Geschenk, dass es die Möglichkeit des homeoffice gibt, allerdings fehlt der Kontakt zu Kollegen, Klienten, Menschen, Freunden, Familie, sehr. Meine lustigen Abende beim Bierzapfen und die ganzen Geschichten, die über die Theke gehen, fehlen. Ich vermisse so viel. Besonders auch die feste Struktur, den Rhythmus. Diese Zeit hat aber auch was Gutes. Selten war man sich auf virtueller Ebene so nah. Hat so viel telefoniert. So viele Bilder ausgetauscht. So viel am Leben anderer teilgehabt, ohne sich gegenüber zu stehen. Ich habe wieder viel mehr Zeit zum Schreiben, zum Musikmachen. Für Dinge, die sonst auf der Strecke bleiben. Ich lebe in Hannover, Niedersachsen's Hauptstadt. Nie war es so still. So leise. Überall. Die Menschen, die hier leben, sind oft grundsätzlich distanziert. Aktuell fühlt es sich an, als lebe jede/r in seiner eigenen Stadt in der Stadt.
This story was shared by Stephanie Förster from Hanover, Germany. She works at a law firm, and for fun, at a bar. She writes in an email to us: "It feels as if everyone is currently living in his or her own city-within-a-city."
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